Wand soll eine Bildgestaltung bekommen, die den zeitgemäßen modernen Eindruck des Raumes unterstützen und mitprägen muss.
Das Wandbild Die Fläche der Wand, die durch ein „Bild" künstlerisch
gestaltet werden soll, ist im Verhältnis zur Raumhöhe sowie
auch zur Grundfläche schwierig, da allein durch ihre Größe
die Gefahr zur Dominanz besteht. Darüber hinaus wird die Wand
durch ein illusionistisches Deckengemälde und einen im Raum
befindlichen transparenten Glaskubus, der die historische Balustrade
aufnimmt, begrenzt. 1. Entsprechend der oben skizzierten Grundsätze wie auch aufgrund einer endgültigen Raum- und Farbgestaltung soll das Wandbild ganzflächig aber mit einem umlaufenden Rand von ca.15 cm bemalt werden. Der Grundfarbton des Bildes soll grundsätzlich hell - von weißbeige bis graubeige - gehalten sein. Das Bild soll in jedem Augenblick anwesend und präsent sein, gleichzeitig muss es die Eigenschaft haben, zurücktreten zu können und nicht dominieren zu wollen. Das Bild soll sich zeigen, darf aber nicht die Freiheit und Konzentration der im Lesesaal Forschenden beeinträchtigen. Das Bild soll stimulieren, nicht vordergründig plakatieren. Das Bild soll eine Aura schaffen, die der Anwesende betreten kann, so er denn will. |
2. Bildgrund sind auf die Wand aufgetragene Literaturseiten, Literaturzitate, Druckfragmente, Schriften und Namen in unterschiedlicher Form und Buchstabengröße. Dieser Grund wird durch mehrfach lasierende Übermalungen überdeckt, jedoch so, dass das geschriebene Wort sich weiterhin schemenhaft zeigen kann, nicht aber zu deutlich wird. Einrisse und linienhafteAuskratzungen werden Hinweise und inhaltliche Bezüge herstellen, weiterhin Bildtiefe und Lebendigkeit erzeugen. Durch schablonenhaft aufgetragene helle Linien wird in einem weiteren Arbeitsgang eine obere Ebene geschaffen, die auf mögliche alternative Verknüpfungen hinweisen kann. Eine dritte Ebene wird durch das Auftragen von horizontalen und senkrechten Farbbalken und Farbquadraten erzeugt. Diese Farbbalken symbolisieren Orientierung und Ordnungsprinzipien, Gestaltungswillen, positive wie negative Energien, die gebunden und gestalterisch genutzt werden sollen. Die Bibliothek soll sich somit als Raum von Ideen, Wissen und organisierter Kraft darstellen, die intellektueller Entwicklung verpflichtet ist - als „idealer Ort" menschlichen Geistes.
3. Da die endgültige Raumgestaltung bzw. ein abschließendes
Raumgefühl momentan nur vage zu bestimmen ist, schlage ich
weiterhin vor, das Wandbild zwar in oben beschriebener Form
auszuführen, die letztendliche Größe aber vom Gesamteindruck
des dann fertigen Raumes abhängig zu machen. |
Karl E. Johnson: Zwei Einbildungen (zu Helmut Metzner)
Eingeschlossen in einer Welt, die ausschließlich von Bildern bevölkert
ist, habe ich zwei Einbildungen. Die eine ist fast denkbar, die andere
so denkbar wie jene Welt in sich.
I
Ein verirrter Reisender studiert eine Landkarte. Er begreift die dünne
Version wirklicher Volumen nicht. Linien und Kurven, die kein Gegenstück
in seinem Denken bilden. Blaupausen, die das äußerliche Podest des
gesuchten Ortes ignorieren. Das Lesen der Landkarte gleicht dem Versuch,
die Äste von Winterbäumen richtig zu lesen: die auf offenem Himmel gezeichneten
X- und V-Konfigurationen. Die Landkarte deutet auf eine Sturheit der Realität:
Ort weigert sich, Form zu werden. Aber die Suche wird fortgesetzt. Mit der
Sorgfalt von Handlesekunst. In der Handfläche der Landkarte sieht der Reisende
ein Leitungsnetz. Es scheint die aufgezeichneten Orte zu elektrifizieren:
mit Spiralen und Bindestrichen, die vielleicht Flüsse und Straßen sind, und
T - Formen, die Denkmäler sein könnten. Die Desorientierung übertrifft das
Verlorensein.
II
Eine Landkarte studiert einen verirrten Reisenden. Sie begreift nicht
seinen Ernst vor der Reise angesichts des bedruckten Blattes. Bestimmungsorte
sollen erst im Augenblick des Ankommens ernst genommen werden. Das
jetzige Aufspüren des Ortes gleicht dem Versuch, eine Fremdheitsmaschine
zu starten: eine Tastatur grafischer Befehle, die die deutliche Undeutlichkeit
anatomischer Zeichnungen kennen. Die Bemühungen des Reisenden deuten auf
eine Sturheit der Realität: Ort weigert sich, Form zu werden. Aber die Suche
wird fortgesetzt. Mit der Sorgfalt von Handlesekunst. In der Handfläche des
Reisenden sieht die Landkarte ein Leitungsnetz. Es scheint sein Fleisch mit
Gesten zu elektrifizieren: wachsige Gräben und Schwellungen, die flach werden
beim Anfassen und ein Tastsinn wie ein Garten der Nervosität, überwucherte
mit Ich - Unkraut. Das Verlorensein übertrifft die Desorientierung.
Hellmut Seemann: Zu einem Wandbild von Helmut Metzner
Wer heute vom Stadtschloss zu Weimar hinüberschaut zum historischen Bibliotheksgebäude, gewinnt den Eindruck, als sei niemals etwas Schlimmes geschehen. Das Äußere des zierlichen Baus ist soweit wiederhergestellt, dass man denken könnte, auch im Innern des Hauses sei die altehrwürdige Bibliothek Herzogin Anna Amalias sicher in ihrem Rokokogehäuse untergebracht. Wie sehr dieser Eindruck - noch - täuscht, wird dem klar, der das Gebäude tatsächlich betritt. Überall intensives Werken und Schaffen, Dutzende von Fachkräften, die alle auf den großen Tag hinarbeiten, an dem diese so schwer geschädigte Bibliothek tatsächlich ihrer Bestimmung erneut wird übergeben werden können: den 24. Oktober 2007.
In einem halben Jahr also wird tatsächlich alles wieder beim alten sein? Keineswegs. Tausende, ja zehntausende von Büchern werden für immer zerstört bleiben, mehr als ein Jahrzehnt wird vergehen, bis die Schäden, die restaurierbar erscheinen, tatsächlich restauriert sein werden. Aber auch das Gebäude selbst bleibt ein Gebäude nach der Katastrophe, ein altes Haus in einem neuen Lebensabschnitt. Vieles wurde restauriert, vieles wurde hinzugewonnen, was vor der Katastrophe unzugänglich oder verschandelt war. Im Bereich des eigentlichen Brandherdes jedoch kommen wir in ein neues Gebäude. Wo wir nach dem Brand auf der Decke des Rokokosaales unter freiem Himmel standen, wird der Sonderlesesaal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek für die Forscher zur Verfügung stehen. Dort, wo einst 70.000 Bände alten Bibliotheksbestandes magaziniert waren, werden großzügige Arbeitstische auf ihre Benutzer warten. Ein neues Ambiente, eine neue Funktion.
Für diesen Ort haben wir nach einer gültigen künstlerischen Zeichensetzung gesucht. Unser Architekt, Watther Grunwald, hat in den neuen Raum zwei konkav geschwungene Wände eingestellt. Jene an der Stirnseite des Lesesaales wird die Arbeit von Helmut Metzner aufnehmen.
Es gelingt dem Künstler, ein wirkliches Bild zu malen, obwohl er sich der
Mittel der Collage bedient. Der Blick des Betrachters kann in der Landschaft
dieses Bildes spazieren gehen, ohne von dem, womit sich sein Geist gerade
beschäftigt, deswegen
auf Abwege geführt zu werden. Das Bild ist selbst eine Bibliothek,
eine beschädigte Bibliothek, die dennoch nach der Struktur des Wissens und
der Vergewisserung weiterhin Ausschau hält. An diesem Ort, an dem nicht nur
70.000 Bücher, sondern auch 35 Bilder aus dem 16. bis 18. Jahrhundert Opfer
der Flammen wurden, stellt Helmut Metzner ein Bild aus, das eines unserer
Epoche ist. Es reflektiert den Ort, für den es entsteht, und es reflektiert
zugleich den Verlust, der hier gegenwärtig bleibt. Aber es tut dies nicht
wie ein Fanal, sondern ganz im Gegenteil, indem es die unverwüstliche Beharrlichkeit
des Textes zur Grundlage eines großen ästhetischen Erlebnisses werden lässt.
So ist es ein Bild des Gedächtnisses und damit der Erinnerung an das Geschehene
und Verlorene, aber zugleich ein sehr kraftvolles bildliches Votum für die
Unzerstörbarkeit dessen, was ein Text in sich aufbewahrt. „Teppich des Lebens" nannte
Stephan George einen seiner frühen Gedichtbände, „Teppich des Lesens",
auf dem die Augen zugleich ruhen können, möchte ich die Arbeit Helmut Metzners
nennen.
Es ist dies ein für den Raum wie für die hier zu lösende ästhetische Aufgabe so kongeniales Werk, dass die Entscheidung der Jury im vergangenen Jahr trotz hochkarätiger Alternativen, die zur Beurteilung standen, rasch und einstimmig gefallen ist.
Ohne dieses Werk der Kunst im ehemaligen Schatzhaus der Herzöge von Sachsen-Weimar
und Eisenach bliebe die Wiederherstellung dieses vielleicht kostbarsten
Gebäudes der Klassik Stiftung Weimar unvollendet.